Story der Woche 46
Triviale Weisheiten können stimmen, müssen aber nicht. Hier ist mein Versuch, mit positiven Gedanken der Weisheit „Was nicht getestet ist, funktioniert nicht.“ zu trotzen.
Mein Wecker klingelt wie jeden Donnerstag um 6 Uhr, um einen gewöhnlichen Start in einen hoffentlich wundervollen Tag einzuläuten. Zumindest sprach an diesem Tag nichts gegen diese Annahme: Positive Gedanken sind so wichtig, falls es anders kommt! Mit viel Enthusiasmus und einer Kanne Kaffee steige ich nur wenig später die Treppe hinab in mein Kellerbüro. Heute kann endlich das App-Release auf den Produktivgeräten getestet werden. Dieser Test ist die letzte Bestätigung für meine Kundin, dass ihr Monster-Excel ausgedient hat. Die neue Ära der nutzerfreundlicheren und intuitiveren Patientendokumentation bricht an.
Der Weg bis zum heutigen Moment war steinig. Als unerwartete Herausforderung machte mir das Mobile Device Management (MDM) der Telekom zu schaffen. Die richtigen Zertifikate waren der Schlüssel. Nur dank viel Geduld und guter Zusammenarbeit mit der Kundin konnte ich diese Herausforderung meistern, sodass in der Übergabe-Checkliste schließlich der letzte Haken gesetzt ist: Die App funktioniert auf dem Referenztablet des Kunden. Das Ziel für heute habe ich klar vor Augen.
Entzückt über das baldige Erreichen dieses Meilensteins beginne ich, für den Arbeitstag meine Checkliste zu erstellen. Neben dem Deployment gilt es, die Applikation mit der Verwaltungswebseite zu verbinden, das Backend samt Datenspeicherung einzubinden, einen Testnutzer einzurichten und diesen mit dem Referenzgerät zu verknüpfen – ich bin auf der Zielgeraden.
Der Testnutzer ist eingeloggt; das Nutzer-Dashboard öffnet sich. Die zugeordneten Patienten sind sichtbar. Ich kann diese auswählen. Perfekt. Sicherheitshalber noch ein paar weitere Klicks, um ein Teilhabeziel einzugeben, und vielleicht noch eine Testdokumentation auf dem Beispielrezept. Eigentlich kann nicht viel schiefgehen, doch Gründlichkeit ist wichtig! Und es gilt: Alles, was nicht getestet ist, funktioniert nicht. Uneigentlich kann sehr wohl einiges schiefgehen. Und das tut es auch. Auf die unangenehmste Art und Weise: Beim Klick auf den Speichern-Button passiert nichts. Genau – überhaupt nichts. Einfach gar nichts. Außer dass die kleine Animation sich dreht und eine vermeintliche Aktivität symbolisiert.
Ungläubig starre ich das Tablet an und drücke mehrfach auf Speichern. Anfangs mit Geduld, kurz danach hämmere ich hysterisch auf den Button. Natürlich ändert mein krampfhaftes Hämmern auf dem Touchdisplay nichts am Ergebnis. Durchatmen. Heute wird ein guter Tag. Ich prüfe alle möglichen Fehlerquellen analytisch und komme zu dem Schluss: Ich habe nicht die leiseste Ahnung, was hier los ist. Ich habe nicht mal einen Hauch einer Idee, wo das Problem liegen kann. Die letzten Änderungen, seitdem es auf meinem Testgerät funktioniert hat, geben mir keinen Ansatzpunkt.
Die nächsten sechs Stunden widme ich der frenetischen Suche. Natürlich nicht alleine, sondern mit meinem Kollegen. Zu zweit sind wir jedoch nur doppelt ratlos. Wir erstellen Theorien, validieren sie, nur um sie anschließend verwerfen zu müssen. Stunde um Stunde vergeht und mit der Ratlosigkeit keimt Verzweiflung auf. Die Theorien werden immer abstruser. Wir greifen nach jedem Strohhalm, so irrwitzig der Ansatz auch klingt. Statt Erlösung kommt das Ende des Arbeitstages. Meine Tochter klopft an der Tür – das Abendbrot sei fertig, ich solle kommen. Eine Pause ist eine gute Idee.
Vollkommen abwesend kaue ich mechanisch auf meinem Essen herum. In Gedanken stecke ich noch im Problem. 20 Meter Weg und 15 Stufen nach oben reichen nicht, um das Problem im Keller zu lassen. Ich gehe alles Schritt für Schritt in meinen Gedanken erneut durch und entwickle einen neuen Ansatz. Brutal und effizient: alles aus der App ausbauen. Ein Stück nach dem anderen wieder dazutun und prüfen, wann das Problem auftritt. Das wird ewig dauern, ist allerdings so alternativlos wie ich ratlos.
Diese Idee ist für mich der einzige Weg. Ich zücke mein Telefon und schreibe eine Nachricht an meinen Kollegen. Es sind keine 15 Minuten vergangen. Als Antwort kommt nur ein süffisantes Grinsen – das Problem sei gelöst und ich müsse gar nicht so radikal denken. Ich schwanke zwischen Erleichterung, Wut und Neugier. Letztere siegt. Es lag direkt vor uns: das letzte hinzugefügte Feature – natürlich, was sonst –, nur verstehe ich es immer noch nicht.
Meine Gedanken rasen. Ich kann mich nicht freuen, dass mein Kollege es gelöst hat. Ich will es verstehen. Eine kurze und einfache Erklärung später fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Darauf hätte ich selbst kommen können. Eher beifällig und mit einer Prise Galgenhumor schreibe ich: „Warum hast du mit der Lösung gewartet, bis ich zum Abendbrot bin? Das hätte dir früher einfallen können.“ Die passende Antwort hatte ich verdient: „Ich wollte nur sehen, ob du alleine draufkommst.“ Ich musste herzhaft lachen. Damit war es über Umwege ein wundervoller Tag. Dank eines hilfsbereiten, liebevollen Kollegen. Und weil ich beim Aufstehen daran geglaubt habe … oder?!
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Ich verrate dir gerne die Details. Sei es zur finalen Lösung oder zu meinem iOS-MDM-Problem, damit dir nicht das gleiche passiert.
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