Story der Woche 45
Der steinige Weg von einem Tischtennisturnier zu einem HSV-Spiel oder warum die Zeit mit den eigenen Kindern so besonders und nicht selbstverständlich ist.
Es ist ein sonniger Tag in Malmö im August 2025. Zusammen mit meinem Sohn spaziere ich vom Parkplatz zur Malmö-Arena zum WTT Europe Smash 2025. Es ist unser erstes Tischtennisturnier, das wir als Zuschauer besuchen. Unsere Erwartungen schwanken zwischen totaler Begeisterung, denn einige Spieler:innen der Weltelite sind dabei, und Ernüchterung, weil es nur die Vorrundenspiele sind. Solche Zeiten mit meinem Sohn sind wundervolle Erinnerungen. Je älter er wird, desto seltener werden diese Momente. Es gilt, sie bewusst herbeizuführen, zu beschützen und zu hüten.
Was die Spannung an dem Tag anging, wurden wir eines Besseren belehrt. Wir haben mitgefiebert, unsere Favoriten pro Spiel diskutiert und die Leistung der Athlet:innen gewürdigt. Den bleibendsten Eindruck hat eine japanische Spielerin namens Hashimoto hinterlassen. Ihr Wechsel aus Verteidigungs- und Angriffsspiel war geprägt von Ruhe und plötzlicher Dynamik. Dazu so viel Ballgefühl und Präzision. Einfach wunderbar. Nach diesem Erlebnis war uns klar: Sobald ein solches Turnier in Deutschland stattfindet, reisen wir an. Ein Wochenende mit meinem Sohn, voller Tischtennis und viel Zeit für gemeinsame Hörspiele, Gespräche und leckeres Essen.
Ende August sitze ich abends mit meinem Laptop auf dem Sofa. Ich habe mir die Mühe gemacht, nach einem Turnier zu suchen, und bin fündig geworden: dem WTT Champions in Frankfurt am Main. Die Finalspiele sind am 08. und 09. November. Die Zugverbindung von Hamburg ist eine direkte vierstündige Fahrt. Rechtzeitig gebuchte Bahntickets sind sogar preisgünstig. Für ein Hotel in der Nähe der Sporthalle gilt dasselbe. Der Slot im Kalender ist noch frei und ich habe mich an die vielen positiven Gefühle vom letzten Turnier erinnert. Sofort ist alles gebucht.
Heute ist der 08. November. Ich sitze vor meinem Laptop und schreibe diesen Artikel. Geplant war, dass ich das im ICE nach Frankfurt tue. Vielleicht Kopfhörer auf. Im Hintergrund läuft ein Hörspiel. Die Vorfreude ist groß, die ersten Finalspiele zu sehen. Stattdessen sitze ich an meinem Esstisch, ohne Hörspiel, ohne Vorfreude, ohne meinen Sohn. Der ist bei den Hamburger Einzelmeisterschaften und spielt im wichtigsten Turnier des Jahres.
Als Anfang dieser Woche klar wurde, dass wir diesen Terminkonflikt haben, wusste ich sofort, wie dieser gelöst wird: Mein Sohn bleibt in Hamburg und spielt das Turnier. Sachlich korrekt und einfach zu entscheiden. Es hat mich jedoch viel Kraft und Selbstüberzeugung gekostet, das wirklich einzusehen und für gut zu halten. Denn eigentlich wollte ich was komplett anderes: Die Idee dieses gemeinsamen Wochenendes mit all der Vorfreude und der genauen Vorstellung, wie es wird, hatte sich zu fest eingebrannt.
Nachdem einige Tage vergangen waren und ich meine Wunschvorstellung loslassen konnte, war ich wieder offen für eine Alternativgestaltung dieses Wochenendes. So ergibt es sich, dass ich heute ins Stadion zum HSV-Spiel gegen Dortmund fahre. Zusammen mit meinem ältesten Kumpel aus Kindeszeiten, den ich schon viel zu lange nicht mehr gesehen habe. Das wird ebenfalls eine tolle Erinnerung, nur komplett anders. Parallel dazu schaue ich aufs Handy und verfolge den Live-Ticker meines Sohnes aus der Verbandshalle.