Story der Woche 44

Wie aus einer vereinsinternen Meisterschaft ein Eventmanagementmarathon wurde, dessen Ausgang von einem unscheinbaren Ereignis abhing – oder warum ein respektvolles Miteinander und Zuhören wichtig ist.

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Es ist Sonntagmorgen um 9 Uhr. Das Wetter ist ungemütlich und ich bin noch müde. Ich öffne die große, schwere Hallentür am Burgundweg und mache mich an dem Schließmechanismus zu schaffen. Einer der älteren Herren hatte mir vor ein paar Tagen erklärt, wie ich diesen so einstelle, dass die Tür angelehnt und offen bleibt. Ansonsten würde beim Aufbau für das heutige Turnier die Klingel unablässig läuten, weil die Teilnehmenden nacheinander eintreffen. Das lenkt mich nicht nur vom Aufbau ab. Noch schlimmer ist das Geräusch selbst. Ein markerschütterndes Kreischen, das Tote erweckt.

Als ich der Tür und ihrem widerspenstigen Mechanismus meine volle Konzentration widme, werde ich plötzlich lautstark zurechtgewiesen: „Was mir einfällt, die Tür zu beschädigen.“ Mit einem bissigen Kommentar auf den Lippen blicke ich nach oben, als ich den Hausmeister erkenne … und sage lieber nichts. Mir wird mit aller Deutlichkeit klargemacht, dass ich das gefälligst nie wieder versuchen soll, sonst wird unsere Abteilung aus der Halle ausgesperrt. Ich verwende mein gesamtes Arsenal an rhetorischen Mitteln, um den Hausmeister zu beruhigen und um Entschuldigung zu bitten. Innerlich denke ich mir: Welch großartiges Timing – muss das ausgerechnet heute sein?

Nachdem ich zehn Minuten später anfange aufzubauen, bin ich gerade dabei, mit meinem Vereinskollegen die Banden und Platten aufzubauen, als aus dem Nichts über die Hallenlautsprecher eine Durchsage ertönt – natürlich in der Qualität der Klingel –, also laut, kreischend und schmerzhaft für die Ohren. Vollkommen erschrocken lausche ich den Worten: „Die Tischtennisabteilungsleitung bitte sofort in mein Büro!“ Das Echo hallt nach … Ist das gerade wirklich passiert? Ich schaue meinen Kollegen an. An meinem fragenden Blick erkennt er meine Verwirrung und nickt. „Ja, du bist gemeint.“

Ich verbringe eine gefühlte Ewigkeit im Büro des Hausmeisters. Der gesammelte Frust über die Zusammenarbeit mit meinem Sportverein bricht über mich herein. Mir wird schnell klar: Diese Situation muss ich retten – nur wie? Zum Glück ist mein Kommunikationsseminar nicht so lange her. Ich schiebe meine Genervtheit zur Seite und beginne zuzuhören. Ich stelle Rückfragen und versuche ernsthaft zu verstehen. So langsam erschließe ich seinen Standpunkt. Sobald klar ist, dass ich an einem guten Umgang und an Lösungen interessiert bin, verläuft das Gespräch in konstruktiven Bahnen. Ohne zu wissen, dass es ein wichtiger Moment ist, der mir Monate später den Tag rettet, lasse ich die anfängliche Zurechtweisung über mich ergehen, und wir trennen uns mit guten Vereinbarungen.

Einige Monate später – es ist Mitte September – gilt es, die Planung für ein weiteres Turnier anzupacken: die vereinsinternen Meisterschaften unserer Abteilung. Ich sitze am Frühstückstisch und gehe meine Checkliste durch. Bereits Monate vorher ist die große Verbandshalle gebucht, die Bestätigung ist schriftlich eingegangen und damit ist alles in trockenen Tüchern. Mein Handy brummt. Ungewöhnlich für die Zeit. Ich lasse mich ablenken und prüfe die Nachricht: „Hast du von diesem überregionalen Mädchenturnier gelesen?“ Ungläubig starre ich die Nachricht mit dem dazugehörigen Flyer an. Das Mädchenturnier findet am selben Tag wie unsere Meisterschaft statt. In derselben Halle. Nach einigen Telefonaten wird klar: Ich muss die bittere Pille schlucken und meine Meisterschaft verlegen. Der Verband bietet mir einen Termin einige Wochen später an. Immerhin.

Es ist drei Tage vor dem Ausweichtermin unserer Meisterschaft. Ich komme aus meinem Kellerbüro zur Mittagspause an den Esstisch und sehe einen verpassten Anruf auf meinem Handy. Der stellvertretende Geschäftsführer meines Vereins hat sich gemeldet. Ich denke, da lohnt sich ein Rückruf. Ganz beiläufig wird mir mitgeteilt, dass der Boden der Verbandshalle gesäubert wurde und nun neu versiegelt wird. Das müsse vierundzwanzig Stunden lang austrocknen, sodass bis zum Wochenende niemand in die Halle könne – bääm. Am Freitag ist die Meisterschaft. In genau dieser Halle. Was stimmt denn mit den Leuten nicht? Wer hat denn das wieder geplant, genauer gesagt, nicht geplant? Ich kämpfe damit, meinen Ruhepuls zu halten und nach Lösungen zu suchen.

Wir haben als Verein einige Hallen und es sind Schulferien. Da lässt sich doch sicherlich was finden. Da gibt es die eine Halle mit katastrophalen Lichtverhältnissen am Bindfeldweg. Sollte am Freitag die Sonne scheinen, können wir den Spielbetrieb gewissermaßen einstellen. Bleibt nur noch die Halle am Burgundweg, die ich sonst für meine Turniere nutze. Nur haben wir unter der Woche keinen Zugang zu dieser Halle. Dank der Herbstferien hat auch der Hausmeister frei und ist im Urlaub. Also bleiben zwei Optionen: die Meisterschaft ausfallen zu lassen oder die Meisterschaft unter schlechten Bedingungen in der Halle Bindfeldweg stattfinden zu lassen.

An genau dieser Stelle, in meinem Moment größter Verzweiflung, zahlt es sich aus, dass ich mit dem Hausmeister aus dem Burgunderweg in jüngster Vergangenheit immer wieder längere Gespräche geführt und langsam eine gute Beziehung aufgebaut habe. Ich erreiche ihn in seinem Urlaub. Ich erkläre meine Notlage und weshalb es für mich so dringend ist, ihn in seinem Urlaub zu stören. Er hilft mir umgehend und organisiert binnen weniger Minuten den Hausmeisterschlüssel für mich. Damit ist die Meisterschaft gerettet.

Der Tag war ein voller Erfolg; die Location ist für die Teilnehmenden großartig, und über dreißig Menschen genießen spannende Wettkämpfe bei herrlichem Buffet. Und all das wurde mit der Bereitschaft, an einem ungemütlichen Sonntagmorgen zuzuhören, möglich.

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