Story der Woche 48
Für die eigene Überzeugung einstehen, haben sie gesagt. Nur was, wenn die vermeintlich glasklaren Erinnerungen, die zu der Überzeugung führen, gar nicht so klar und vor allem nicht richtig sind?
Der heimische Arbeitsplatz erstrahlt im Lichte der Tageslichtlampe. Auf meinem Monitor sind die für den Moment zwei wichtigsten Anwendungen im Vordergrund. Die VirtualOffice-Applikation KumoSpace sowie ein Miro-Board für das aktuelle Projekt. Der Fokus liegt auf dem Wireframe des Dashboards. Die Diskussion steckt in einer Meinungsverschiedenheit, wie die Navigation im Dashboard funktioniert, genauer gesagt, wie sie gedacht ist, fest. Ich habe ein glasklares Bild und erinnere mich noch genau daran, wie wir zu den Entscheidungen während der Konzeptionsphase gelangt sind.
Ich stelle mein Verständnis wiederholt dar. Gleicher Inhalt und andere Worte. Natürlich in überzeugend fester Stimme rattere ich die Punkte runter. Als Beweisführung ziehe ich die Schnittstellendefinition, die wir vor ein paar Wochen aus den Vorlagen entwickelt haben, heran. Warum kommt da noch Widerspruch? Ich verstehe es nicht. Und schlimmer noch: Weil ich so überzeugt von meiner glasklaren Erinnerung bin, höre ich zwar die Worte des Widerspruchs, höre jedoch nicht zu.
Mein Verständnis ist die Grundlage für die optimale Umsetzung für zukünftige Nutzende. Etwas komplexer in der Umsetzung, aber machbar. So geht die Diskussion – wenn man das so nennen möchte – weiter. Mein Gegenüber bittet mich, ihm zu folgen. Nicht inhaltlich, sondern virtuell. Dank einer Funktion in Miro genügt es, auf den Avatar zu klicken, und der Fokus meines Miro-Boards folgt dem anderen. Praktisch.
Eine Reise in die Vergangenheit beginnt. Unsere Miro-Boards wurden von unserem Konzeptexperten Stefan Bothe so angelegt, dass die vorherigen Versionen des Konzepts in der horizontalen Achse zu finden sind. Zusätzlich sind die Erkenntnisse aus den Gesprächen über die jeweiligen Stände in Form von Notizzetteln festgehalten. Daraus lässt sich nachträglich herausfinden, warum die Konzepte sich entwickelt haben und wie sie es getan haben. Es zieht mich also immer weiter nach links bis zum Zettel, der glasklar aufzeigt, wie falsch ich mit meiner perfekten Erinnerung liege.
Zurück in der Gegenwart gebe ich kleinlaut nach und höre endlich richtig zu, während im Hintergrund mein schönes, komplexes Feature-Set samt wundervoller Schnittstellendefinition zu Staub – also Nullen und Einsen – zerfällt. Nachdem ich mein Ego überwunden und die eigentliche Funktion des Dashboards verstanden habe, bin ich dankbar. Die Lösung ist einfacher, klarer und wohl strukturiert. Da hätte ich glatt selbst draufkommen können. Gewissermaßen bin ich das auch … damals. Nur haben mich vermeintliche Annahmen davon abgebracht.