Story der Woche 49
Eine simple Frage hat mich diese Woche aus dem Lösungsraum zurück in den Problemraum geholt. Warum eigentlich wollen wir eine App für Tischtennisspieler:innen bauen? Und welches Problem lösen wir damit wirklich? Ein Blick zurück, ein Gespräch, ein Buch – und die Erkenntnis, dass echte Agilität viel früher beginnt, als ich bisher dachte.
Vom Glanz der Lösung und dem Mut zur Frage
Diese Woche begann mit einem dieser Gespräche, die einen länger begleiten, als man es im ersten Moment erwartet. Ich hatte mit einer Expertin für Agilität telefoniert – jemand, die seit Jahren Teams dabei unterstützt, gute Produkte nicht nur zu bauen, sondern richtig zu bauen.
Wir sprachen über meine Pläne fürs kommende Jahr. Über Ideen, über Energie, über Chancen. Und natürlich über die neue App, die ich 2026 für iOS entwickeln möchte: Freelethics für Tischtennisspieler:innen – Trainingspläne, Videos, Work-outs. Eine Art Personal Coach fürs Hobby- und Vereinsspiel. Ich erzählte begeistert davon. Und dann kam der Satz, der alles stoppte.
Du sprichst sehr klar über deine Lösung. Aber bei welchem Problem schafft deine App eigentlich abhilfe?
Stille. Ich lachte erst reflexhaft, weil ich dachte: „Na, das liegt doch auf der Hand.“ Aber innerlich merkte ich: Ich habe keine präzise Antwort.
Ein kurzer Sprung zurück: Anfang 2025
Dieser Gedanke führte mich zurück an den Anfang des Jahres. Damals wurde mir die Grundidee für eine Tischtennis-App vorgestellt. Ich war zunächst skeptisch, nicht wegen des Sports, sondern weil der Markt für Sport-Apps bereits dicht besetzt ist. Doch das Team, das sich für dieses Projekt formierte, überzeugte mich. Wir klärten die Zusammenarbeit und definierten als Benchmark eine Art Freeletics für Tischtennis: strukturierte Trainingspläne mit Videos, ein motivierendes Nutzererlebnis und klare Anleitungen für Amateur- und Vereinsspielende. Es fühlte sich wie ein vielversprechender Ansatz an. Und doch fragten wir uns damals nicht, welches genaue Problem wir damit beheben wollten. Weil wir annahmen, es zu wissen.
Zurück ins Jetzt
Zurück im November 2025 begann die Frage der Agilitätsexpertin in mir zu arbeiten. Ich musste mir eingestehen, dass wir uns in die Lösung verliebt hatten, ohne das Problem dahinter wirklich zu verstehen. Um mehr Klarheit zu gewinnen, griff ich zu einem Buch, das in meinem Lesestapel lag: Inspired von Marty Cagan. Schon die ersten Seiten machten deutlich, dass wir den typischen Fehler begangen hatten – den Startpunkt nicht im Problemraum, sondern im Lösungsraum zu suchen. Na, herrlich.
Das Team, die Erkenntnis und ein PDF
Mit dieser Erkenntnis rief ich das Team zusammen und schilderte die Herausforderung. Wir mussten anerkennen, dass Mockups und technische Umsetzungsschritte uns im Moment nicht weiterbringen. Was wir benötigten, war eine Vision, eine saubere Problemdefinition und vor allem die Bereitschaft, unsere Annahmen zu überprüfen. Die Parallelen zu Freeletics halfen uns dabei enorm, denn deren Erfolg begann nicht mit einer App, sondern mit einem einfachen PDF. Ein niedrigschwelliger Prototyp, der zeigte, ob Menschen mit dem Konzept überhaupt arbeiten konnten.
Genau das wird jetzt unser nächster Schritt: Wir erstellen ein PDF, das unsere Hypothese abbildet, und testen es mit der Zielgruppe. Wenn es funktioniert, können wir darauf aufbauen. Wenn nicht, lernen wir und passen die Richtung an. Dass wir mehrere Iterationen durchlaufen werden, scheint mir inzwischen wahrscheinlich – und genau richtig.
Fazit
Diese Woche hat mir wieder gezeigt, wie gute Teamarbeit aussehen kann: offen, lernbereit und mutig genug, die eigenen Annahmen zu hinterfragen. Und mein persönliches Learning ist klarer denn je: Als Entwickler reicht es nicht, kontinuierlich Software zu liefern. Es geht darum, das Produkt kontinuierlich zu entdecken. Dieses Prinzip bildet den eigentlichen Kern agiler Arbeit. Und vielleicht hat es tatsächlich ein Jahrzehnt gebraucht, bis ich das in dieser Tiefe verstanden habe.