Review "So good they can't ignore you"
Du stehst am Anfang deiner Karriere und möchtest deiner Leidenschaft folgen, weißt nur nicht wie? Oder du bist mitten im Arbeitsleben und fragst dich, ob irgendwo der Traumjob wartet? Du stellst die falschen Fragen und das Buch erklärt dir, welche Fragen du stattdessen stellen solltest!

Über den Autor
Der Autor Cal Newport ist Professor für Informatik an der Georgetown University. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf verteilten Algorithmen und theoretischer Informatik – was ungewöhnlich nüchtern ist für jemanden, der Bücher über Karriere und Produktivität schreibt.
Bekannt wurde Cal durch seine Bücher über die Themen berufliche Erfüllung, Konzentration und digitale Ablenkung. Sein erstes Buch „So Good They Can’t Ignore You“ aus dem Jahre 2012 betrachte ich in diesem Artikel. Weiterhin bekannt ist sein Podcast „Deep Questions“, in dem er Leserfragen zu Themen wie Fokus, Technologieeinsatz und Arbeitsethik beantwortet.
Newport schreibt regelmäßig für große Publikationen wie die New York Times oder den New Yorker. Er ist kein Fan sozialer Medien und verzichtet bewusst auf X, Instagram & Co. Seine Philosophie: Tiefe Arbeit > ständige Erreichbarkeit – Fokus und Konzentration sind entscheidend in einer ablenkenden Welt.
Worum geht es in dem Buch?
„So Good They Can’t Ignore You“ von Cal Newport ist ein Karrierebuch, das mit einem irreführenden Ratschlag aufräumt: „Folge deiner Leidenschaft“:
Berufliche Erfüllung entsteht nicht durch das Verfolgen vorgefertigter Leidenschaften, sondern durch den Aufbau seltener und wertvoller Fähigkeiten – das sogenannte Karrierekapital.
Im Laufe des Buchs zeigt Cal anhand von Beispielen, warum andere Wege zur Erfüllung im Job vielversprechender sind. Einen großen Anteil hat die Mentalität: das Craftsmanship-Mindset. Weiterführend sei es wichtig, Kontrolle zu erlangen – also selbstbestimmtes Arbeiten. Ab wann dies möglich ist und wie diese Kontrolle erlangt wird, zeigt Cal ebenfalls.
An dem Punkt, als Cal die 10 000 Stunden erwähnt, die notwendig sind, um eine Fähigkeit zu meistern, fühlte ich mich an Matthew Syed „Bounce – Das Märchen vom Talent und die Kraft der Übung“ erinnert (zu meiner Buchkritik).
Was ist daran toll?
Ich bin ebenfalls mit dem Grundsatz „Das Hobby zur Arbeit machen“ in die Arbeitswelt gestartet. Und es hat mich Jahrzehnte begleitet. Formulierungen wie „Wenn das Hobby der Job ist, fühlt es sich nicht wie Arbeit an“ waren lange meine Begleiter. Im Laufe der Zeit habe ich angefangen, daran zu zweifeln. Warum ich zu zweifeln begonnen habe, hat Cal klar aufgezeigt.
Ich habe durch intensives Studium, ständiges Lernen, Fehlschläge und Weitermachen das sogenannte Karrierekapital aufgebaut. Ich habe in meinem Job Kontrolle erlangt und kann guten Gewissens behaupten: „Ich liebe meine Arbeit“. Bestimmt nicht jeden Aspekt und jede Tätigkeit. Und das muss ich auch nicht. Das müsste so sein, wenn es meine Leidenschaft und Berufung ist. Ich bin gut in dem, was ich tue, und tue es deswegen gerne.
Diese Erkenntnis ist beruhigend. Bis zu diesem Buch blieb im Hinterkopf die Stimme, die fragte: Gibt es da draußen noch andere Tätigkeiten, die dich erfüllen, und alles wäre plötzlich viel besser? Das kann ich mit Nein beantworten. Ich mache, was ich kann. Wenn ich was anderes tun möchte, dann lerne ich es im Hintergrund und schwenke um, sobald ich es beherrsche.
Was nervt daran?
Einer der Bausteine für das Finden der Mission ist, sich im jeweiligen Fachbereich komplett zu vertiefen, sodass das Wissen an die Grenzen des Bekannten stößt. In diesem Bereich (aka Cutting-Edge) warten die Missionen. Natürlich sind dafür jahrelange harte Arbeit und Lernen notwendig. Ich glaube, eine Mission ist nicht nur dort zu finden und nicht jede:r muss bis in diese Tiefe in ein Themengebiet einsteigen. Ich habe diesen Teil „überlesen“ und nehme mir die anderen Tipps zu Herzen.
Das beste Zitat
Im hinteren Teil des Buchs schreibt Cal sinngemäß: Wer bereits so weit gelesen hat, ist wie Cal selbst mit harter Arbeit längst vertraut und daran gewöhnt, sodass dies nicht abschreckend ist, wie es für die Tagträumer der Fall ist. Ich mag diesen rehtorischen Schachzug, diese passiv agressive Art den Leser anzustacheln, weiterzumachen.
Was habe ich gelernt?
Meine wichtigste Erkenntnis: Statt ständig nach der „richtigen“ Arbeit zu suchen, sollte man die eigene Arbeit richtig beherrschen lernen. Leidenschaft folgt Können – nicht umgekehrt. Des Weiteren habe ich mir bei Cals Schlussfolgerung einige Fragen gestellt, um mir einige Dinge bewusster zu machen.
- Was ist mein Karrierekapital?
- Wie komme ich öfter aus der Komfortzone?
- Stecke ich gerade im „acceptable level“ fest?
Warum sollte jede:r das Buch lesen?
„So Good They Can’t Ignore You“ ist ein kluges, wohltuend unaufgeregtes Buch über den Weg zu beruflicher Erfüllung. Statt dem Rat „Folge deiner Leidenschaft“ hinterherzulaufen, plädiert Cal Newport für etwas Bodenständigeres – und zugleich Wirksameres: Wer außergewöhnlich gut wird, schafft sich die Freiheit, die viele vergeblich suchen.
Meines Erachtens ist das Buch besonders wertvoll für eine Handvoll Menschen in bestimmten Situationen:
- Studierende und Berufseinsteiger, die Orientierung suchen.
- Unzufriedene im Job, die glauben, sie hätten „ihren Traum verfehlt“.
- Selbstständige und Kreative, die Kontrolle über ihre Arbeit gewinnen wollen.
- Karrierewechsler, die nach nachhaltiger Motivation suchen.
Zusammengefasst ist es ein Buch für alle, die keine Luftschlösser bauen wollen, sondern auf ein solides Fundament für eine erfüllende Karriere setzen. Und ich setze mich jetzt hin und beantworte meine drei Fragen für mich.
Steckst du auch im "Acceptable Level" fest?
Ist es eigentlich schlimm, an einem solchen Punkt zu sein? Ist das nicht eine Form von Lohn für vergangene Arbeit?
Genießen oder raus aus der Komfortzone?